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Lesenswertes

Predigt an Himmelfahrt über die vier Kirchen auf der Insel und Gottes Gegenwart

Gott spricht nicht oft mit den Menschen. Also direkt. Die Bibel ist voller Geschichten über Gott. Aber dass er sich selbst zu Wort meldet, wir quasi einen O-Ton von Gott haben, das ist selten. Ich habe die mal gesammelt, weil es mich interessiert hat. Er sagt am Anfang. „Es werde Licht“ und solche Sachen und „Siehe, es war gut.“ Da redete er noch mit sich selbst. Dann mit Adam und später mit Eva. Auch noch mit Abraham, aber irgendwann dann nur noch im Traum und nicht mehr Face to Face.
Hier, in unserer Geschichte (2 Sam 7,1-17) wird Gott zitiert. Er spricht im Traum mit Natan, nicht dem Weisen, der ist von Lessing, sondern dem Propheten. 
Im Traum gibt Gott Natan den Auftrag, mit David zu sprechen. Der soll ihm nämlich ein Haus bauen. Also Natan soll es dem David sagen. Warum sagt er das nicht gleich dem David? Denn wir wissen ja alle, dass bei so einer mündlichen Erzählung schnell was verloren gehen kann. Und gerade wenn es um einen Bauplan geht. 
„So spricht der Herr: Du willst mir ein Haus bauen, in dem ich in Zukunft wohnen soll? 6Ich habe doch noch nie in einem Haus gewohnt, seit ich die Israeliten aus Ägypten geführt habe.“ Eigentlich will Gott gar nicht. Das hört man deutlich raus. Er findet die Idee erst mal gar nicht gut. „Ich habe noch nie in einem Haus gewohnt!“ Als wäre das ein unmoralisches Angebot und Gott müsste sich erst einmal darauf einstellen, jetzt nicht mehr obdachlos, sondern in einem festen Haus zu wohnen. 
Wir kennen bis heute Menschen, die sich schwer tun, in Häusern zu leben. Obdachlose - klar, die haben mal in einem Haus gewohnt, dann gab es Schicksalsschläge und sie lebten draußen. Es ist sehr schwer für sie, wieder seßhaft zu werden. Ich habe mal mit Obdachlosen zu tun gehabt und das wurde mir immer wieder berichtet. Spätestens im Frühjahr zog sie es hinaus. Oder Nomaden. Ob Sinti und Roma oder Beduinen, sie seßhaft zu machen, bedeutet ihnen einen Teil ihrer Identität zu rauben. Ihre Lebensweise gehört zu ihnen. So kommt es mir mit Gott vor. Ihm ist die Vorstellung zukünftig an einem Ort fest zu wohnen, unangenehm. 
Diese Lebensweise sitzt tief auch in uns. Das spüren wir, wenn uns die Reiselust packt, wenn wir die Koffer packen und weg wollen, woanders hin, einfach mal raus. Viele gehen tatsächlich zelten. Besonders die Niederländer scheinen im Sommer kollektiv ein ganzes Volk von Nomaden zu sein. 
„Bis heute bin ich mit einem Zelt umhergezogen, das meine Wohnung war.“ Gott war scheinbar glücklich damit und jetzt soll er in ein Haus ziehen? Es war offensichtlich nicht seine Idee. „Als ich mit allen Israeliten umhergezogen bin, habe ich nie etwas gesagt. Ich habe einigen aus den Stämmen Israels aufgetragen, mein Volk Israel zu weiden.
Aber keinem von ihnen habe ich vorgeworfen: ›Warum habt ihr mir kein Haus aus Zedernholz gebaut?‹“ 
Wir merken, Gott ist das gar nicht recht. Warum? Weil man auch Gott nicht einsperren kann. Ihn auf ein Gebäude, einen Raum festzulegen, zu sagen: „Da, da ist Gott! Hier nicht, wenn du ihn erleben möchtest, musst du da hin gehen“ - das lehnt Gott ab. Denn er ist frei. Mit einem Haus wird er unfrei und er hat scheinbar Sorge, dass das mit ihm etwas macht; oder anders gesagt, dass wir Menschen aus ihm etwas anderes machen. 

Andere Götter mögen Häuser haben, Tempel mit großen Altären für Brandopfer; er bevorzugt ein Zelt. Da kann man kein großes Feuer drin machen, nur ein Zelt, wie hinten im Westend. Dort finden wir ihn und das findet er auch besser. 

In der Tat gibt es viele Geschichten besonders in der Bibel, die davon handeln, wie schwer es war, diese zwei Lebensweisen miteinander in Einklang zu bringen. Letztlich hat die Seßhaftwerdung über die nomadische Lebensweise gesiegt, denn sie hat eben auch viele Vorteile. Sie verheißt mehr Sicherheit, Dauer, Kultur findet leichter in Mauern statt.
Und doch, wir leben zwar in Häusern und ziehen doch immer gerne umher, reisen und sind ewig unterwegs. Wir sind damit noch nicht versöhnt. 
Hier, auf einer Urlaubsinsel kann man das besonders gut spüren. Der Mensch, der auf der Suche nach seiner Heimat ist, weil er sie zu Hause nicht wirklich gefunden hat. Dabei ist es zu Hause bekanntlich am schönsten. Aber nur dann, wenn wir mal weg waren. Es ist kompliziert. Wir sind kompliziert. Und Gott geht mit. 

Um die Bandbreite der Gefühle abzudecken, die Widersprüchlichkeit ein wenig aufzulösen gibt es hier auf Spiekeroog vier Kirchen, da ist für jeden Geschmack etwas dabei: die Old Karg von 1629, die heute ein Gasthaus ist, die Alte Inselkirche von 1696, die Neue ev. Kirche von 1961 und St.Peter von 1968. 
Auffällig, dass die jüngste an ein Zelt erinnert, während die anderen Gotteshäuser Häuser sind: Die Old Karg als Gasthaus, die Alten Inselkirche, „Gott lüttje Stuuv“ genannt, steht für Gemütlichkeit und Priavtsphäre und die Neue ev. Kirche erinnert an einen Gulfhof, der an die bäuerlichen Wurzeln anknüpft. 
Gebäude sind Zeitzeugen. Während man im 17 Jhd. Hier auf der Insel neu wieder Fuß fassen musste und wollte, die Welt noch sehr ungenmütlich und gerade zu feindlich war, baute man sich seine Kirchen als Gasthaus und Wohnzimmer; „Ich will meinem Volk Israel einen Platz geben und es einpflanzen, dass es dort sicher wohnen kann. Dann muss es nicht mehr zittern vor Angst.“ Heißt es da im 2 Sam 7,1-17
In den 60ziger Jahren ging es im die Rückkehr des Wohlstandes nach den verheerenden Kriegen und man baute sich eine riesige Scheune, um darin Vorräte anlegen zu können, auch geistliche. Denn nicht nur die Städte und Dörfer mussten neu aufgebaut werden, auch die Menschen. 
Und bereits ein paar Jahre später baute man die Kirche von St. Peter als ein Zelt. Warum? Nun, es war die Zeit der 68ziger, als die Menschen sich wieder eingeengt fühlten; erstarrte Gesellschaftsformen, konservative Rückbesinnung drohte die Menschen zu ersticken, besonders die junge Leute. Und die zogen als Hippies mit Zelten umher und suchten die Freiheit, Ungebundenheit und Offenheit zurückzugewinnen. Das finden wir in der Architektur dieser Kirche, die vom 2. Vatikanum  geprägt ist, das von 1962 bis 1965 tagte und die Katholische Kirche aus der Erstarrung befreite. 
In unserer Geschichte gibt es zum Schluss eine witzig Pointe. Ich sagte ja, dass Gott sich nicht einsperren lassen wollte, ihm war das Zelt lieber. Die Menschen brauchten etwas anderes, deswegen ließ er sich darauf ein. Aber Gott wäre nicht Gott, wenn er nicht eine Lösung für sich gefunden hätte. Er zog gar nicht in das Haus ein. „Er wird für meinen Namen ein Haus bauen“, heißt es da. Sein Name steht an der Tür, drinnen kann man Kontakt zu ihm aufnehmen, aber er selbst wird weiterhin in einem Zelt wohnen. Im Himmelszelt. Amen.